Michael Gautier (2002): Fromme Unternehmer. Vergleichende Fallstudien zur Relevanz religiös fundierter Motive im wirtschaftlichen Handeln.

Im Kontext der als Krise erlebten ökonomischen Umbrüche der 1990er Jahre sind die Figur der ‘sozialen Verantwortung’ der Arbeitgeber und die Frage nach der Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Handeln mit ethischen Maximen überaus virulent geworden. Unternehmertum ist in den Auseinandersetzungen um ‚Globalisierung’, Liberalisierung und Deregulierung, Shareholder value, die Privatisierung von Gewinnen und die Abwälzung der ‚sozialen Kosten’ auf die Allgemeinheit, zuletzt die horrenden Managerhonorare und ‚Abgangsentschädigungen’ gesellschaftlich vermehrt in Legitimationszwang geraten. In diesem Zusammenhang interessiert, ob ‚christliche Werte’, das heisst religiös fundierte Motive, in der Berufspraxis von Unternehmern noch eine Rolle spielen.

Anhand der vergleichenden, interpretativ-rekonstruktiven Auswertung zweier nichtstandardisierter Interviews mit gläubigen Grossunternehmern – thematisch zentriert auf ihre Personalpolitik, die Betriebskultur und ihre Vorstellungen von wirtschaftlicher und sozialer Ordnung – wurde der Versuch unternommen, Deutungsweisen und Habitusformen eines katholischen und eines protestantischen Industriellen freizulegen. Es sollte demnach zugleich eruiert werden, ob in Anknüpfung an Max Webers These Unterschiede mit der ‚Kulturbedeutung’ von Konfession zu erklären sind. Das Ergebnis der Studie – Paternalismus und Affinitäten zur katholischen Soziallehre im einen und ein ausgesprochenes individualistisches Leistungsethos im anderen Fall – legt nahe, die radikal differierenden Vorstellungen bezüglich der lebenspraktischen Bewährungsfrage und die daraus resultierenden unterschiedlichen ethischen Motive und ihre Konsequenzen im unternehmerischen Alltag als milieu- und konfessionsspezifisch geprägt zu interpretieren.

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