Das Ende der Gemütlichkeit. Strukturelles Unglück und mentales Leid in der Schweiz

„Der Limmatverlag legt mit ‚Das Ende der Gemütlichkeit – Strukturelles Unglück und mentales Leid in der Schweiz‘ ein Buch über den Strukturwandel der neunziger Jahre vor, in dem Schlagworte wie ‚Globalisierung‘, ‚Deregulierung‘ und ‚Neoliberalismus‘ kaum vorkommen. Dieses Kunststück ist den HerausgeberInnen Claudia Honegger und Marianne Rychner gelungen, indem sie die Porträts von zweiunddreissig Menschen verfassten […], die in den vergangenen Jahren auf die Verliererseite gerieten: Menschen, die ohne Lehrstelle oder Arbeit sind oder unter enormem Leistungsdruck stehen, Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus, ohne Zuversicht in die Zukunft. […] Die Lektüre fällt leicht. Der respektvolle Umgang der AutorInnen und BefragerInnen mit den porträtierten Männern und Frauen sorgt dafür, dass jeder Text eine eigene Stimmung schafft, die gefangen nimmt.“ Annette Hug, WOZ, Nr. 48/1998

„An dieser Bestandesaufnahme des ‚strukturellen Unglücks und mentalen Leids in der Schweiz‘ haben zwei Dutzend junge Leute mitgeschrieben, grossenteils an der Universität Bern ausgebildete oder in Ausbildung stehende Sozialwissenschafterinnen und -wissenschafter. Sie haben in Anlehnung an Pierre Bourdieus Buch ‚La Misère du monde‘ mit den exemplarisch ausgewählten Unglücklichen Tonbandinterviews geführt und geben aussagekräftige Passagen nun in direkter Rede wieder. Angewandte Soziologie solcher Art ist nicht nur aufschlussreich und spannend. Sie vermag auch Anteilnahme zu wecken am Schicksal jener Mitmenschen, die im globalisierten Wettkampf auf der Strecke bleiben.“ Heinz Däpp, Basler Zeitung, 20.10.1998

„Die kahle Prosa berichtet unmittelbarer vom ‚Ende der Gemütlichkeit‘, als jede Statistik oder verallgemeinernde Abhandlung dies tun könnte. Die Lebensberichte von in der Schweiz wohnenden Ausländerinnen und Ausländern stehen neben der von den Sesshaften verschämt oder vollmundig vorgetragenen Abwehr gegen die ‚Fremden‘. Auch dies ein Abdruck gesellschaftlicher Realität. Auf die Porträts folgen kurze Beschreibungen des beruflichen und gesellschaftlichen Umfelds. Mit Zahlen und Fakten zu Strukturänderungen in der Chemie- und Pharmaindustrie, bei den Banken, der Frauenerwerbstätigkeit, im Gesundheitswesen oder in der Schweizer Landwirtschaft. Damit ist eine vielschichtige Momentaufnahme gelungen, ein exakter Querschnitt durch die Schweizer Befindlichkeit der Gegenwart.“ Martina Wohltat, Basler Zeitung, 5.11.1998

„Genau das macht das Buch menschlich wertvoll und soziologisch interessant. Es erlaubt einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen Bedingungen der Bildung von Meinungen, Weltbildern und Deutungen. Das Spektrum reicht von der drogenabhängigen Frau, die trotz schwierigster Kindheit und Jugend ihre Probleme vor allem in eigenen Charaktermängeln sieht, bis zum ehemaligen Gewerkschafter, der auf einmal zum Gefolgschafter Christoph Blochers wird. Damit all diese individuellen Lebensgeschichten nicht in die Beliebigkeit abgleiten, sondern in einem gesellschaftlichen Kontext stehen, finden sich nach jeder Beschreibung die jeweiligen sozialwissenschaftlichen Zahlen und Fakten. Die Reihenfolge ist bewusst gewählt, denn sie verhindert die Degradierung der einzelnen Lebensgeschichten zur illustrativen Fallbeschreibung und überlässt den letzten Schritt der Deutung dem Leser selbst.“ Daniel Howald, Tages-Anzeiger, 12.2.1999

„Wissenschaft tendiert zu verallgemeinernden, abstrakten Aussagen; dieses soziologische Buch, dessen Autorinnen und Autoren zum Grossteil an der Uni Bern arbeiten, verhält sich anders. Es dokumentiert ‚strukturelles Unglück‘ im Zeitalter von Globalisierung und Deregulierung an Einzelschicksalen. Eine Fixerin, deren Hund ihr einziger Lebenszweck ist; ein Novartis-Laborant, der seine Arbeit nicht mehr als sinnvoll empfindet; ein Bauer, der sich immer unfreier fühlt und sich später das Leben nimmt – Geschichten aus der Schweiz, die unter die Haut gehen, jede in einem Anhang flankiert von den statistischen Daten und Fakten.“ Facts, Nr. 41/1998

„Unter all den neuen Schweizern Bücher, die in diesen Tagen den helvetischen Buchmessenauftritt in Frankfurt begleiten, gibt es eines, das wahrhaft die verunsicherte Schweiz der Gegenwart beschreibt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Büchern, die diesen Anspruch mit sich führen. Das Buch hat den klangvollen Titel ‚Das Ende der Gemütlichkeit‘, ist keine Literatur und liest sich dennoch wie gut erzählte Geschichten. […] ‚Das Ende der Gemütlichkeit‘ ist ein farbiges Porträt eines Landes in Unruhe, das allzulange seine Ruhe haben wollte. In den ungeschminkten Reden schwingt auch ein zukunftsgerichteter Wille mit, einen Ausgang aus dem lange verteidigten Alpenidyll zu suchen.“ Stefan von Bergen, Berner Zeitung, 7.10.1998

„Die Texte beruhen auf Interviews, die zum Teil paraphrasierend, zum Teil wörtlich wiedergegeben und anschliessend soziologisch analysiert werden. […] Aus den Interviews, der Lebensbeschreibung und der kurzen soziologischen Analyse ergibt sich kein repräsentatives, aber ein aussagekräftiges Bild der Zustände: die Arbeitslosigkeit in verschiedenen sozialen Schichten vom Hilfsarbeiter bis zum Topmanager, die Drogenabhängigkeit, die Pflegebedürftigkeit, das Elend von Prostituierten, Kleinbauern, Kleingewerbetreibenden, die Entleerung beruflicher Qualifikationen, die technologische Aufrüstung, alleinerziehende Frauen und vereinsamte Junggesellen […]. Die Autoren halten in ihren Texten die schwierige Balance zwischen Nähe und ruhiger Distanz zu den beschriebenen Personen und ihren Schicksalen.“ Rudolf Walther, Frankfurter Rundschau, 20.9.1999

„Die dreissig Porträts basieren auf ein- bis zweistündigen Interviews. Als ‚teilnehmende Objektivierung‘ charakterisieren die Herausgeberinnen – in Anlehnung an die Methode, die für Pierres Bourdieus Buch ‚Das Elend der Welt‘ verwendet wurde – die Haltung, welche Grundlage für die Porträts war. Stärker als in den von Bourdieu veröffentlichten Interviews steht bei den vorliegenden Porträts die Interpretation und damit eine distanzierte Sichtweise im Vordergrund. Auf die Porträts folgt jeweils eine Beschreibung des Themenbereichs, dem die ‚Fallstudie‘ zugeordnet werden kann, so beispielweise Stellenabbau und Umstrukturierung im Bankensektor beim Porträt des Managers im Outplacement. Das Buch bietet einen Interessanten Überblick über das Leben in der Schweiz heute sowie Denkanstösse, durch das Verstehen der andern, unsere gesellschaftliche Situation zu verstehen.“ AM, AAM-Agenda, Nr. 7/1998

„Um das Spannungsfeld und die vielfältigen Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Entwicklung, individueller Existenz und subjektiver Weltdeutung zu erforschen, haben es Honegger und Rychner zusammen mit einer ganzen Schar von Sozialwissenschaftlern und Sozialwissenschaftlerinnen sowie Journalisten und Journalistinnen unternommen, den gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüchen, von denen die Schweiz in den letzten beiden Jahrzenten betroffen war, anhand von Lebensgeschichten nachzugehen. […] Es ist ein Verdienst dieses Buches, auf die Kosten hinzuweisen, die die Umbrüche der letzten Jahre für die Menschen in diesem Land hatten, vor allem für jene, die nicht zu den Gewinnern gehören.“ Albert Schnyder, Reformatio. Zeitschrift für Kultur, Politik, Kirche, Nr. 3/1999

„Das Ende der Gemütlichkeit hat die Schweiz erreicht. Das Land befindet sich im Umbruch, eine Insel in einer Welt der Globalisierung kann es nicht mehr sein. Was macht der Topbanker, wenn er seinen Job verliert? Jugendliche ohne Zukunft? Wie sieht eine kurdische Asylbewerberin die Schweiz? Die Soziologin Claudia Honegger und die Journalistin Marianne Rychner haben einen Band zusammengestellt, in dem sie diesen Aspekten der gesellschaftlichen Krise auf sehr viel eingängigere Weise nachgehen, als es der etwas gestelzte Untertitel vermuten lässt: Das Ende der Gemütlichkeit. Strukturelles Unglück und mentales Leid in der Schweiz […]. Denn was sie vorlegen, sind nicht abstrakte Zahlen – sie zeichnen lebendige Porträts, insgesamt 28.“ Bücherpick, Nr. 34/1998

„Claudia Honeggers und Marianne Rychners Analyse, die im Kern auf die falsche Selbstzufriedenheit der Schweiz zielt, ist darum wenig schmeichelhaft: das Leid sei oft mental und hausgemacht, und veraltete Weltbilder liessen immer mehr Hoffnungen auf eine bessere Zukunft scheitern. Für die beiden Soziologinnen stellt darum der Umbruch vielmehr ein Aufbruch dar, der nach wie vor viel Raum zum Denken und Handeln birgt. Der neuen Ungemütlichkeit müsse mit ‚kaltem Verstand, Witz und Scharfsinn‘ begegnet werden, meinen sie im Vorwort. Überzeugt, dass jede Krise auch eine Chance zum Umdenken ist, versuchen sie in unserer Gesellschaft vorerst einmal ein paar soziale und identitätsstiftende Kräfte zu eruieren. Und das ist schon schwierig genug, wenn man bedenkt, dass der alles dominierende ‚Markt‘ diese Kräfte zusehends auseinanderzutreiben droht.“ Jürg Spichiger, X-time. Die grosse Zeitung, 1998

„Informierter als durch die Aufzählung der geschilderten Schicksale lässt sich der Inhalt des Buches nicht umschreiben. Die Liste beweist: Es kann jede und jeden treffen. […] Dieses seriös recherchierte und mutige Buch deckt oft verdrängtes Leid in diesem Land auf und gibt ihm Namen. Lange konnte schweizerische Arbeitslosigkeit exportiert oder mit dem Rückzug der Frauen vom Arbeitsmarkt kaschiert werden. Nun zeigen sich die Probleme in der ganzen Deutlichkeit und Härte.“ Margrit Steinhauser, Neue Luzerner Zeitung, 30.1.1999

„Honegger und Rychner wünschen sich eine ‚Kultur der Auseinandersetzung‘, welche ‚Selbstironie‘ und die ’Einbeziehung der anderen‘ zulasse. Erst damit könnte ‚das Streben nach individuellem und kollektivem Glück vermehrt wieder zu einer genuin öffentlichen Angelegenheit werden‘. Wer ‚Ende der Gemütlichkeit‘ aufmerksam liest, wird ihnen wohl beipflichten, die Chance für eine derartige Veränderung scheint aber klein zu sein.“ Roman Schürmann, Zuger Presse, 4.12.1998

„Die Geschichten hinter den Schlagzeilen, das soll nicht verschwiegen werden, sind keine leichte Bettlektüre. Sie gehen unter die Haut, stimmen nachdenklich, machen traurig. Aber sie verankern, trotz aller Tristesse, die Hohlwörter unserer Zeit – von der Globalisierung bis zum Downsizing – in konkrete Fälle.“ Christine Valentin, SMUV Zeitung, Nr. 7/1999

„Bourdieu hat’s vorgemacht, nun liegt, obwohl im Umfang deutlich bescheidener, ein Schweizer Pendant vor: ‚Das Ende der Gemütlichkeit‘. Eine Forschungsgruppe um die Soziologin Claudia Honegger präsentiert dreissig Lebensgeschichten aus der Schweiz im Ab-, Um- und Aufbruch. Das Buch ist ein Seismograph der jüngsten gesellschaftlichen Erschütterungen bis weit in den oberen Mittelstand. Es berichtet vom hochqualifizierten Physiker, der infolge Fusion zum Sozialfall wird, genauso wie vom Bauern, der, überfordert vom rasenden ‚Fortschritt‘ in der Landwirtschaft, seinem Leben mit einem Flobertgewehr ein Ende setzte. ‚Erschöpfungsdepression‘ hiess die Diagnose.“ Das Magazin, Nr. 46/1998

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